I. Was ist der Vertragslebenszyklus?
Das Wort Vertragslebenszyklus beschreibt die verschiedenen Phasen, die ein Vertrag innerhalb seiner „Lebensspanne“ in einem Unternehmen durchläuft. Dabei besteht der Vertragslebenszyklus im Grunde aus sechs unterschiedlichen Phasen, die bei der Initiierung des Vertrags starten und über die Durchführung bis zur Archivierung laufen.
Typischerweise folgen Verträge in ihrem Lebenszyklus immer einem gleichen Muster. Das eröffnet Unternehmen die Möglichkeit, durch effektives Management der Verträge, entlang der Vertragsphasen, enorme Vorteile zu erwirtschaften. So können zum Beispiel Fehler vermieden, Einnahmen erzielt sowie Ressourcen eingespart und an anderer Stelle wieder freigesetzt werden. Das erhöht die Effektivität und führt wiederum zu einer höheren Produktivität.
Für gewöhnlich wird einigen Phasen des Vertragslebenszyklus mehr Zeit eingeräumt und Bedeutung beigemessen als anderen. Um besser zu verstehen, warum das so ist, wird im Folgenden auf die einzelnen Phasen sowie ihre Bedeutung genauer eingegangen.
II. Welche Phasen durchläuft ein Vertrag?
Ein Vertrag durchläuft im Wesentlichen sechs aufeinanderfolgende Phasen im Unternehmen. Die genauen Bezeichnungen sowie die Anzahl der Phasen können je nach Quelle leicht variieren, weshalb es keine eindeutige, allgemeingültige Definition gibt. Auf Basis unserer eigenen Erfahrungen als Hersteller von Vertragsmanagement-Software haben wir aber die folgenden sechs Phasen definiert: Anbahnung, Erstellung und Verhandlung, Prüfung und Freigabe, Unterzeichnung, Durchführung und Erfüllung sowie Ablauf und Archivierung.
1. Anbahnung
Der Vertragslebenszyklus beginnt mit der Anbahnung des Vertrags. Gemeint ist damit die Konzeption, also die erste Idee für einen Vertrag. Dabei werden im Wesentlichen der Vertragszweck, der Vertragsinhalt sowie die Vertragspartner definiert. Hierbei handelt es sich um Grundbedingungen, die vor Vertragserstellung festzulegen sind.
Des Weiteren ist es wichtig, die Ziele und Aufgaben aller beteiligten Parteien klarzustellen. Jeder Vertrag zwischen zwei Geschäftspartnern, seien es nun Endkunden, Lieferanten oder Kunden im B2B-Segment, dient dazu, die Geschäftsbeziehungen rechtlich abzusichern und zu stärken. Die gegenseitigen Interessen müssen berücksichtigt und im Vertrag zusammengeführt werden. Sind die Ziele, Aufgaben und Interessen definiert, kann mit der Vertragserstellung begonnen werden.
Bei der Vertragserstellung ist es wichtig zu beachten, dass es sich bei einem Vertrag um ein rechtsverbindliches Dokument handelt. Daher sollte man sich von Anfang an gut organisieren und strukturiert vorbereiten. Was passiert zum Beispiel, wenn der Geschäftspartner während der Vertragslaufzeit Konkurs anmeldet? Was sieht der Vertrag vor, wenn der Geschäftspartner sein Geschäft aufgibt? Ist das Unternehmen finanziell abgesichert? Diese Fragen müssen vor Vertragsschluss unbedingt geklärt werden.
2. Erstellung und Verhandlung
Nach der Phase der Konzeptionierung geht es in der zweiten Phase darum, einen ersten Vertragsentwurf zu erstellen. Dabei werden für die Vertragserstellung in Unternehmen oft bereits bestehende Vorlagen verwendet. Das heißt, dass zum Beispiel Verträge mit anderen Geschäftspartnern kopiert und mit den neuen Daten befüllt werden. Das spart Zeit und stellt sicher, dass bei gleichen Vertragsarten schon die wichtigsten Klauseln enthalten sind. In modernen, professionell aufgestellten Unternehmen, die ihr Vertragsmanagement mithilfe einer Software, der sogenannten Contract Management Software, betreiben, gibt es oft ein eigenes Vorlagen- und Klauselmanagement.
Ist der erste Vertragsentwurf fertig, geht es weiter mit der Verhandlung zwischen den Vertragspartnern. Hierbei wird der erste Entwurf so oft angepasst und versioniert, bis beide Parteien ihre Interessen gewahrt sehen. Am einfachsten geht das in einer Software für Vertragsmanagement, wo beide Parteien den Vertragsentwurf einsehen und bearbeiten können.
In dieser Vertragsphase wird entschieden, ob ein Geschäftsverhältnis zustande kommt oder nicht. Punkte wie die Kosten bzw. der Preis, die Aufgaben, Zuständigkeiten und vieles mehr müssen hier geklärt und festgelegt werden. Daher kommt dieser zweiten Phase des Vertragslebenszyklus eine besonders hohe Bedeutung zu.
3. Prüfung und Freigabe
Ist der Vertrag zur Zufriedenheit beider Geschäftsparteien fertig verhandelt, wird der Vertragsentwurf zur internen Prüfung und Freigabe weitergegeben. Hier erfolgt meistens eine juristische Prüfung seitens der Rechtsabteilung. Dabei kann es passieren, dass der Vertrag wieder angepasst werden muss, bis er alle rechtlichen Anforderungen erfüllt. Erst dann erfolgt die Freigabe durch die Vorgesetzten.
Der Prozess der Prüfung und Freigabe kann softwaregestützt mithilfe von Workflows ablaufen. Dabei werden die jeweiligen verantwortlichen Personen im Workflow direkt kontaktiert und mit einer oder mehreren Aufgaben betraut, zum Beispiel der finalen Freigabe. Der Vorteil von automatischen Workflows ist, dass sie die Vertragserstellung enorm beschleunigen können. Außerdem können sich alle Mitarbeitenden den Vertrag in Echtzeit anzeigen lassen, bearbeiten und kommentieren, bevor der Vertrag in die nächste Phase eintritt.
4. Unterzeichnung
Die vierte Phase im Vertragslebenszyklus sollte die einfachste und auch schnellste sein, obgleich sie juristisch gesehen den wichtigsten Schritt aller Vertragsphasen darstellt: Die Unterzeichnung des vorher verhandelten Vertrags. Ein Vorteil unserer digitalisierten Arbeitswelt ist, dass das heutzutage auch mittels digitaler, rechtsverbindlicher Signaturen möglich ist. Das heißt, dass Dokumente nicht mehr per Post verschickt und unterschrieben werden müssen, sondern dass dieser Prozess komplett digital abläuft. Nur bei bestimmten Verträgen, wie z.B. Immobilienkaufverträgen, die ein persönliches Erscheinen und einen Notar erforderlich machen, muss derzeit noch auf digitale Signaturen verzichtet werden.
5. Durchführung und Erfüllung
In der fünften Vertragslebenszyklus-Phase geht es um die eigentliche Durchführung und Erfüllung der im Vertrag festgehaltenen Pflichten und Aufgaben. Das umfasst unter anderem die Lieferung bzw. den Erhalt von Waren und Dienstleistungen oder auch die Zahlungsvereinbarungen. Um sicherzustellen, dass man nicht den Überblick verliert und alle Parteien ihren Verpflichtungen nachkommen, helfen regelmäßige Audits. Auch der Einsatz einer Verwaltungssoftware für Verträge kann dabei helfen, zum Beispiel durch das Einstellen automatischer Benachrichtigungen und der Fristenüberwachung. Werden auch noch ERP- oder CRM-Systeme mit der Software verbunden, können weitere relevante Informationen verarbeitet und berücksichtigt werden.
Die fünfte Phase im Vertragslebenszyklus dauert im Verhältnis zu den anderen mit am längsten, da sie sich über die komplette Leistungserbringung erstreckt, also die gesamte Vertragslaufzeit. Dabei kann es sich um wenige Tage und Wochen bis hin zu mehreren Monaten und sogar Jahren handeln.
Am Ende dieser Phase muss entschieden werden, ob der Lebenszyklus des Vertrags von neuem beginnt oder ob er vorerst endet, sprich ob der Vertrag ausläuft, verlängert oder gekündigt wird. Bei einer Verlängerung kann es dann zu Anpassungen von bereits festgelegten Vertragsinhalten kommen. Eine häufige gestellte Frage ist zum Beispiel die nach einem Preisnachlass. Startet der Vertrag erneut mit einer Vertragsverlängerung, so beginnt der Zyklus wieder ab Phase eins oder zwei. Läuft der Vertrag aus oder wird er gekündigt, geht es weiter zur nächsten Phase, der Archivierung.
6. Ablauf und Archivierung
In der sechsten und letzten Phase des Vertragslebenszyklus geht es um den Vertragsablauf und die Vertragsarchivierung. Das Ende der Laufzeit eines Vertrags ist nicht gleichbedeutend mit dem Ende des Vertragslebenszyklus. Im Gegenteil: In die wahrscheinlich längste Phase tritt der Vertrag erst jetzt ein, indem er ins Archiv bzw. das elektronische Archivsystem überführt wird. Dabei werden alte Verträge oft unternehmensintern noch weiter verwertet, sei es als Vorlage für neue Verträge oder einfach, weil alte Vertragsdaten benötigt werden.
Darüber hinaus gelten für bestimmte Dokumente gesetzliche Vorgaben, die sogenannten Aufbewahrungsfristen. Aufgrund der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen ist es verboten, Verträge und deren Daten bzw. Dokumente vor Ablauf festgesetzter Fristen zu löschen. In den meisten Fällen gelten für Vertragsdaten Archivierungsfristen von sechs bis zehn Jahren. So lange müssen die Dokumente also mindestens aufbewahrt werden. Hinzu kommt u.a. noch die GoBD-konforme, revisionssichere Archivierung , die ebenfalls vom Gesetzgeber vorgeschrieben wird und befolgt werden muss.
Hinweis: GoB, GoBD und Revisionssicherheit – ein Buch mit 7 Siegeln? In unserem Artikel „Archivierung“ haben wir die wichtigsten Stichpunkte für Sie zusammengefasst.
III. Contract Lifecycle Management (CLM) im digitalen Zeitalter
Wie man sieht, ist der Vertragslebenszyklus ein recht umfangreicher und komplexer Prozess. Da fast alle Abteilungen des Unternehmens mit ihm in Berührung kommen, ist das Management des Vertragslebenszyklus von besonders großer Relevanz. Aus diesem Grund gibt es mittlerweile feste Teams in Unternehmen, die sich nur mit diesem „Vertragslebenszyklus-Management“ (aus dem Englischen „Contract Lifecycle Management (CLM)“), befassen.
Das Vertragslebenszyklus-Management kann dabei generell auf verschiedene Arten und mit unterschiedlichen Mitteln erfolgen. In der heutigen Zeit setzen immer mehr Unternehmen auf ein digitales Vertragsmanagement und damit auch auf ein elektronisches Vertragsmanagement-System. Das hat unter anderem den Vorteil, dass keine analogen Papier-Akten mehr eingesetzt werden müssen, sondern alle Dokumente, Verträge und Daten jederzeit, von überall aus zur Verfügung stehen.
Eine Möglichkeit, digitales Vertragslebenszyklus-Management im Unternehmen zu betreiben, ist Microsoft 365. Es liefert bereits im Standard einen gut ausgestatteten Werkzeugkasten, der es erlaubt, komplexe Fachanwendungen zu bauen. Da es jedoch einiges an Expertise und vor allem Ressourcen benötigt, um aus der gegebenen Grundausstattung hochfunktionale (Geschäfts-)Anwendungen in Eigenregie zu bauen, ist es ratsam, einen spezialisierten Microsoft-Partner, wie z. B. die Portal Systems AG, in ein solches Projekt zu involvieren.
Hamburg, 28. November 2022
Autorin: Sara Glöckner
Kategorie: Business-Wiki
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