Definition: Was versteht man unter Aufbewahrungsfristen?
Der Begriff „Aufbewahrungsfrist“ ist eng verknüpft mit der Archivierung von Dokumenten und definiert, welche Dokumente bzw. welche Dokumentenarten wie lange im Unternehmen aufbewahrt werden müssen. Genauer gesagt beschreiben die Aufbewahrungsfristen, welche gesetzlichen Anforderungen zur Archivierung an bestimmte Geschäftsunterlagen bestehen. Dementsprechend dreht sich dabei alles um die Frage: Wie lange müssen welche Unterlagen im Unternehmen archiviert werden?
Als Grundlage für die Dauer der Aufbewahrung gibt es vom Gesetzgeber klar geregelte und genau festgesetzte Anforderungen. Niedergeschrieben sind diese Fristen zur Archivierung in der Abgabenordnung (AO) sowie im Handelsgesetzbuch (HGB). Die AO behandelt dabei den steuerrechtlichen Aspekt, während das HGB das Handelsrecht abdeckt. Besonders beachtenswert sind zum einen § 147 der AO als auch § 257 des HGB.
Inhalt
- Definition: Was versteht man unter Aufbewahrungsfristen?
- Für wen gelten die Aufbewahrungsfristen?
- Was muss aufbewahrt werden und wo sind die Aufbewahrungsfristen geregelt?
- Wie lange müssen Geschäftsunterlagen aufbewahrt werden?
- Welche Konsequenzen drohen bei Verstößen?
- Wann beginnt die Aufbewahrungsfrist?
- Sonderform „Elektronische Aufbewahrung“: Was muss hier beachtet werden?
Für wen gelten die Aufbewahrungsfristen?
Laut Gesetzgeber müssen alle Unternehmer:innen, die nach Steuer- oder Handelsrecht buchführungspflichtig sind, auch die Aufbewahrungsfristen einhalten. Sie unterliegen der sogenannten Aufbewahrungspflicht. Allerdings sind nach § 140 der AO auch „andere Gesetze“ zu beachten, soweit sie für die Besteuerung relevant sind, zum Beispiel das Umsatzsteuergesetz (UstG). Je nach Beruf und Tätigkeiten sind verschiedene Aufzeichnungs- und Buchführungspflichten gegeben.
Generell gilt die Aufbewahrungspflicht und damit auch die Einhaltung der Aufbewahrungsfristen für große Konzerne genauso wie für kleine Unternehmen. Auch Gewerbetreibende, die keiner Handelsgesellschaft angehören, zum Beispiel Land- und Forstwirte, sind unter bestimmten Bedingungen zur Aufbewahrung verpflichtet. Dabei müssen allerdings gewisse Umsatz- und Gewinngrenzen überschritten werden: Gewerbetreibende, die mehr als 60.000 € Gewinn oder 600.000 € Umsatz pro Jahr erwirtschaften, sind aufbewahrungspflichtig.
Auch Privatleute unterliegen in einigen Fällen der Aufbewahrungspflicht. Sie beträgt in den meisten Fällen zwei Jahre und bezieht sich vorwiegend auf steuerrelevante Rechnungen und Zahlungsbelege.
Was muss aufbewahrt werden und wo sind die Aufbewahrungsfristen geregelt?
Wie bereits geschildert, trifft der Gesetzgeber eine Unterscheidung der Aufbewahrungsfristen nach dem Steuerrecht (§ 147 AO) und dem Handelsrecht bei Kaufleuten (§ 257 HGB).
Laut Steuerrecht (§ 147 AO) müssen folgende Geschäftsunterlagen geordnet aufbewahrt werden:
- Bücher und Aufzeichnungen, Inventare, Jahresabschlüsse, Lageberichte und die Eröffnungsbilanz sowie die zum Verständnis dieser Unterlagen erforderlichen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen
- Empfangene Handels- und Geschäftsbriefe sowie die Wiedergabe abgesandter Handels- und Geschäftsbriefe
- Buchungsbelege
- Alle erforderlichen Unterlagen nach Art. 77 zum Zollkodex
- Sonstige Unterlagen, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind
Das Handelsrecht für Kaufleute (§ 257 HGB) sieht eine Aufbewahrungspflicht für die folgenden Geschäftsunterlagen vor:
- Handelsbücher, Inventare, Eröffnungsbilanzen, Jahresabschlüsse, Einzelabschlüsse, Lageberichte, Konzernabschlüsse, Konzernlageberichte sowie die zu ihrem Verständnis erforderlichen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen
- Empfangene Handels- und Geschäftsbriefe sowie die Wiedergabe abgesandter Handels- und Geschäftsbriefe
- Belege für Buchungen in den zu führenden Büchern (Buchungsbelege)
Nicht-aufbewahrungspflichtige Unterlagen
Nicht alle im Unternehmen anfallenden Unterlagen sind aufbewahrungspflichtig. So müssen bestimmte betriebsinterne Aufzeichnungen, wie zum Beispiel Arbeitsberichte oder Kalender, nicht vorgelegt werden und dürfen somit zeitnah vernichtet werden.
Wie lange müssen Geschäftsunterlagen aufbewahrt werden?
Die Aufbewahrungsfristen für Geschäftsunterlagen betragen in der Regel zwischen 6 und 10 Jahren. Im Folgenden eine beispielhafte Liste, welche Unterlagen 6 bzw. 10 Jahre lang aufbewahrt werden müssen:
6 Jahre Aufbewahrungsfrist
- Schriftwechsel
- Mahnungen
- Akkreditive
- Unterlagen von Bedeutung für die Besteuerung
- Kreditunterlagen, wenn Korrespondenz
- Betriebsprüfungsberichte
- Angebote mit Auftragsfolge
- Handelsbriefe (außer Rechnungen oder Gutschriften)
- Investitionszulage (Unterlagen)
- Frachtbriefe
10 Jahre Aufbewahrungsfrist
- Eingangsrechnungen
- Eröffnungsbilanzen
- Anlagenvermögensbücher- und Karteien
- Bankbelege
- Geschäftsberichte
- Betriebskostenrechnungen
- Buchungsbelege
- Hauptabschlussübersicht
- Prozessakten
- Exportunterlagen
- Entscheidend bei der Aufbewahrungsfrist eines Schriftgutes ist die Funktion innerhalb des Betriebes. Nur aufgrund der Bezeichnung allein kann noch keine Aussage über die Aufbewahrung getroffen werden.
- Aufbewahrungsfristen können sich jedoch auch verlängern! Das hängt mit der Erfordernis von Unterlagen für die Steuerberechnung zusammen und richtet sich nach der Fristsetzungsfrist. Für genauere Informationen wenden Sie sich an eine Rechtsberatung.
Eine ausführliche Übersicht über die wesentlichen Schriftgutarten und ihre Aufbewahrungsfristen finden Sie u. a. hier: Handelskammer Hamburg – ABC der Aufbewahrungsfristen
Welche Konsequenzen drohen bei Verstößen?
Wie bei allen Pflichten, die der Gesetzgeber Unternehmen vorschreibt, gibt es auch Konsequenzen bei Verstößen. Als Verstoß gilt zum Beispiel die Nichteinhaltung der Aufbewahrungsfristen. Das kann sowohl das Löschen von aufbewahrungspflichtigen Dokumenten sein, obwohl die Frist noch nicht abgelaufen ist, als auch das Verheimlichen, das Zerstören oder das Beschädigen der Dokumente. Auch wenn Dokumente gar nicht erst aufbewahrt werden, stellt das einen Verstoß gegen die Buchführungs- bzw. Aufzeichnungspflicht dar.
Laut Rechtsprechung ist grundsätzlich der Steuerpflichtige in der Beweispflicht. Stehen die für das Finanzamt benötigten Unterlagen nicht zur Verfügung oder nur in beschädigter, nicht vollständiger Form, kann das Finanzamt die Steuerlast schätzen. Diese kann dann deutlich höher ausfallen, als es normalerweise der Fall gewesen wäre. Zusätzlich kann bei einem Verstoß gegen die Aufbewahrungspflicht auch mit folgenden Sanktionen gerechnet werden:
- Verfolgung von Insolvenzstraftaten
- Verfolgung wegen Urkundenunterdrückung
- Verfolgung von Steuerstraftaten oder Ordnungswidrigkeiten
Das bedeutet, dass ein Gericht bei Steuergefährdung und Steuerhinterziehung neben Bußgeldern, also Geldstrafen, auch zu härteren Mittel greifen kann. So drohen im schlimmsten Fall sogar Freiheitsstrafen.
Wann beginnt die Aufbewahrungsfrist?
Grundsätzlich startet die Aufbewahrungsfrist am Ende des jeweiligen Kalenderjahres, in dem das aufbewahrungspflichtige Dokument entstanden ist.
Beispiel Jahresabschluss:
Der Jahresabschluss für 2021 für das Unternehmen K. Automobile wurde im Juni 2022 angefertigt. Der Startpunkt für die Aufbewahrungsfrist liegt demnach am Ende des Jahres 2022 bzw. am 01.01.2023, da das Dokument erst im Kalenderjahr 2022 erstellt wurde, obwohl es sich um einen Abschluss aus dem Jahr 2021 handelt. Das Ende der Aufbewahrungsfrist ist bei Jahresabschlüssen nach 10 Jahren gegeben, in unserem Beispiel also am 31.12.2032. Somit dürfen die Aufzeichnungen am 01.01.2033 vernichtet werden.
Ausnahmen bestehen u.a. dann, wenn die Unterlagen für die Steuerberechnung noch von Bedeutung sind. Wenn Herr K. von K. Automobile zum Beispiel eine Einkommenssteuererklärung aus 2021 zwar in 2022 angefertigt, jedoch aufgrund besonderer Umstände erst 2024 beim Finanzamt eingereicht hat, verschiebt sich auch die Frist um zwei Jahre nach hinten. Startdatum ist hier dann der 01.01.2025, Enddatum der 31.12.2034.
Hinweis: Bei einigen Vertragsarten gibt es besondere Regelungen im Hinblick auf die Aufbewahrungsfrist. Bei Mietverträgen zum Beispiel liegt der Startpunkt für die Frist erst nach dem Ende der Vertragsdauer und nicht bei Abschluss des Mietvertrages.
Sonderform „Elektronische Aufbewahrung“: Was muss hier beachtet werden?
Im Zuge der Digitalisierung hat sich die Form der Archivierung bei vielen Unternehmen mittlerweile geändert. Anstelle analoger Papierberge und einem physischen Archiv geht der Trend immer mehr zu digitalen Akten. Dabei unterscheidet sich die konkrete Dauer der Aufbewahrungsfristen von analog zu digital nicht. Die Bemessungsgrundlage ist jedoch jeweils eine andere. Während bei physisch vorhandenen Unterlagen die GoB (Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung) gelten, sind es bei digitalen Unterlagen die GoBD (Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff). Sie erweitern somit die GoB um die digitale Komponente.
Relevant werden die GoBD besonders dann, wenn es um das Thema „Revisionssichere Archivierung“ geht. Da dieses Thema sehr komplex ist und genauen Regeln folgt, haben wir einen eigenständigen Artikel zum Thema „Archivierung“ für Sie verfasst. Dort gehen wir unter anderem auch darauf ein, was Archivierung eigentlich bedeutet, wie die digitale Archivierung genau funktioniert und wie Sie Microsoft 365 bei der Archivierung und der Einhaltung der Aufbewahrungsfristen unterstützen kann.
Lesen Sie in unserem Gastbeitrag von Markus Olbring, Geschäftsführer der comdatis it-consulting GmbH & Co. KG, wie die revisionssichere Archivierung mit Microsoft 365 und SharePoint Online funktioniert.
*Rechtliche Hinweise
Alle Informationen in diesem Artikel dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar. Sie können insbesondere keine individuelle rechtliche Beratung ersetzen, welche die Besonderheiten des Einzelfalles berücksichtigt. Soweit wir über Fälle, insbesondere Gerichtsentscheidungen berichten, darf aus deren Ergebnissen nicht auf einen notwendigerweise ähnlichen Ausgang in anderen Fällen geschlossen werden.
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Hamburg, 06. Juli 2022
Autorin: Sara Glöckner
Kategorie: Business-Wiki
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